02.05 18
Am vergangenen Wochenende bei der IRM 2018 habe ich oft gehört, das der Zuschnitt von Stoffen ein Problem ist. "Einen Zuschneide Service müsse es geben" auch das habe ich gleich mehrmals gehört. Auf der Fahrt von der Messe zurück nach Hause musste ich drüber nachgedacht und vor allem warum das so ist.
Das Problem ist vermutlich nicht die Schere, sondern die Unsicherheit ob man alles richtig macht, denn hat man Sicherheit, ist die größte Angst weg.
(Für Querleser : hier geht es um den Zuschnitt von historisierten Kleidungsstücken, nach selbst erstellten Schnitten)
Wie bekommt man Sicherheit ?
Durch Versuch und Irrtum. Kein Meister ist vom Himmel gefallen. Schon gar nicht, wenn es nicht nur irgendwie passen soll, sondern maßgeschneidert sitzen und wie die historische Vorlage aussehen soll.
Am Anfang sollte darum ein Probestück stehen. Das kann zB. eine ausgediente Bettwäsche sein, oder ein Billigstoff. Je dicker der zu verarbeitende Stoff, um so ähnlicher sollte der Probestoff sein, damit man den Sitz und Fall des Kleidungsstücks besser einschätzen kann. Ein labrig dünn gewordenes altes Betttuch verhält sich anders, als ein neuer Mantelstoff.
Das Probestück kann mit der Nähmaschine genäht werden, oder aber von Hand mit Heftstichen.
Je anliegender das Kleidungsstück ist, um so sorgfältiger muss gearbeitet werden.
Bei elastisch gearbeiteten Stücken wie der Thorsberg oder Damendorfhose, die eine elastische Handnaht im Original hat, sollte man einen elastischen großen Zickzackstich bei der Maschine wählen.
Man sollte auf den Fadenlauf achten und auch ob und wie bei der Vorlage damit gearbeitet wurde,. Auch hier sollte das Probemodell genau so verarbeitet werden.
Mit einem guten Plan ist vieles leichter. All diese Vorplanung und Mühe ist die Grundlage für die Schneiderei. Ähnlich wie das Einrichtens des Webstuhls einen Batzen der Arbeit des Webens ist, ist eine gute Planung ebenfalls Teil der Arbeit eines Schneiders. Ein Zuschneideservice müsste also auch das leisten, was ein Grund dafür sein könnte, das es bisher so etwas noch nicht gibt.
Ihr solltet Euren guten Stoff vorwaschen, denn es kann immer passieren, das sich ein Gewebe verzieht oder einläuft. Dann nützt die beste Vorbereitung nichts.
Wenn man dann schon üppig ans Probe Material geht, gibt man lieber ein bisschen mehr Naht zu, als zu knapp arbeiten, denn weg nehmen geht immer.
Schaut man moderne Schnittmuster Bögen an, sieht man das zwischen den einzelnen Kleidergrößen oft nur 1cm oder weniger Unterschied liegt. Je nach dem aus wie vielen Einzelteilen ein Kleidungsstück besteht. Ein Zentimeter kann schon viel aus machen, besonders wenn das Stück aus 4 oder mehr Teilen besteht, dann summiert sich der 1cm je Seite auf8cm und mehr insgesammt. Also lieber vorsichtig minimieren, als bei einem Mal zu viel weg zu nehmen. Es kann nicht schaden, in ein modernes Schnittmusterheft zu schauen, um ein Gefühl für die Proportionen zu bekommen.
Es ist wichtig schon vor dem Projekt zu überlegen, welche Naht man später arbeiten möchte und wie viel Zugabe nötig ist. Dazu kann man einen Rand des vorliegenden guten Stoffs, ein kleines Stück in der gewünschten Technik vernähen und nachmessen wie viele Millimeter man benötigt. Hilfreich ist ein Stück Papier, auf dem man sich solche Werte notiert. Wer viel näht, kann sich später einen Schnipsel Stoff zum Zettel packen und das Ganze abheften. Dazu komme ich aber später.
Alle Kanten plant man grundsätzlich mit oder ohne Nahtzugabe, weicht man davon ab, muss man sich dies notieren.
Nun habt Ihr Euer Probestück fertig. Habt es angezogen und steht vor dem Spiegel. Ist alles ist so wie es sein soll ? Prima! Das reicht aber noch nicht aus. Nun sollte man unbedingt testen, ob die Kleidung nach einer Runde hinsetzen, hinhocken, bücken und Arme ausstrecken usw. immer noch in Ordnung ist. Eine Runde Fotos von einem Helfer aufgenommen, ist nützlich Fehler zu finden und nach zu arbeiten.
Alles ist so wie Ihr es haben wollt ? Super! Die Nähte kann man mit einem Stift (Kugelschreiber, Filzstift etc.) markieren, ruhig auf der ganzen Länge, und das Stück wieder auftrennen. Wenn Ihr bei der Nähmaschine mit großen Stichen gearbeitet habt, geht es einfach. Nun habt Ihr ein Schnittmuster. Wollt Ihr dieses Schnittmuster aufbewahren, ist es praktisch, es auf Papier oder Renovierfolie zu übertragen. Zusammen mit Eurem Zettel mit Nahtzugaben und einem Stoffrest gefaltet und beschriftet in einer Dokumentenhülle, in einem Aktenordner abgeheftet, habt Ihr eine wunderbare Grundlage für die nächsten Stücke.
Das Schnittmuster kann nun auf den Stoff gelegt, dann fest gesteckt, und mit Schneiderkreide aufgezeichnet werden. Immer schön sorgfältig arbeiten. Alle Teile müssen an gezeichnet werden. Dann kontrollieren, ob alles da ist :
2 Arme oder 2 Beine
genug Geren oder Keile
Rumpfteile oder Hintern falls nötig
...
an Nahtzugaben gedacht, falls Euer Schnitt die nicht hat ?
alles da ?
Erst JETZT greift man zur Schere.
Das klingt nun alles nach viel Mühe, aber diese Mühe lohnt, und gibt Euch Sicherheit, damit Euer schöner Stoff nicht als unvollendetes Projekt liegen bleibt.
Ich wünsche Euch frohes Schaffen und gutes Gelingen !