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Extended Tabby

24.03 16

Ein Projekt das mich schon lange beschäftigt, ist der so genannte Extended Tabby. Ein spätmittelalterlicher Streifenstoff, der sich nicht nur durch seine farbigen Streifen auszeichnet, sondern auch durch seine Struktur innerhalb dieser Streifen.

Funde davon gibt es in großer Vielzahl in London, aber auch zB. in Schleswig und Lübeck. Stoffe dieser Machart scheinen lange populär und weit verbreitet gewesen zu sein.

 

Anders als der Stoff aus der Bergbausiedlung Altenberg, ist diese Stoffart von beiden Seiten gleich und schön.  Möglich das der Altenbergstoff mit einer Schauseite und einer Rückseite, eine vereinfachte Kopie dieser Stoffmode ist.

 

Bildbelege finden sich einige, die zu den erhaltenen Fragmenten passen. Zum Beispiel dieses hier (rechtes Kleid), das als Vorlage zum Projekt dienen soll:

http://tethys.imareal.sbg.ac.at/realonline/images/7009043.JPG

(Quelle : Institut für mittelalterliche Realienkunde, das Bild stammt aus dem Speculum humanae salvationis)

 

Stoffe dieser Machart, tauchen in Museen und Publikationen auch als erweiterte Leinwand oder als Strahlenmuster auf. Ist das Auge geschärft, findet man plötzlich überall Streifen.

 

DIE UMSETZUNG:

Als Vorlage habe ich aus den London Funden Fragment 309 ausgesucht. Die Streifenverteilung scheint am ehesten zu dem Projekt und dessen Vorlage zu passen. Die Seidenstreifen des Originals sind durch etwas breitere Streifen (aber gleiche Anzahl Schussfäden) aus Wollgarn ersetzt.

Wie beim Original werden Garne in unterschiedlichen Stärken verarbeitet.

Das Grundgewebe ist ein 2/2er Z Köper. Die Bindung und damit die Struktur wechselt innerhalb der Streifen, von einem halben Panama wiederum auf 2/2er S Köper. Der Panama soll dabei dicht und Ripsartig gewoben sein.

Da unterschiedlich gefärbte Garne benötigt werden, habe ich gefühlt den halben Winter für dieses Projekt gefärbt. Auf den Webstuhl soll eine Stoffbahn von 9,5m Länge auf eine Breite von einem Meter.

Das Grundgewebe ist mittelblau. Die Streifen sollen leuchtend Gelb (Reseda), Schneeweiß, leuchtend Pink und dunkel Lila in Cochenille mit unterschiedlichen Vorbeizen sein.

Vorbereitet sind etwas mehr als 2,3kg Garn. Auf Knäuel gewickelt nehmen sie das Volumen von einem zur Hälfte gefüllten blauen Sack ein.

 

Bilder : so sehen die 9,5m Kette beim aufbäumen aus, im anderen Bild die Berge von Garnröllchen, die als Schuss benötigt werden, gewickelt an mehreren Abenden.

Beim lesen der Publikationen habe ich mich gewundert, denn die Stoffe wurden scheinbar zwischen den Streifen aufgeraut. Als Grund wurde angegeben, das man die Struktur der Streifen erhalten wollte. Beim nachweben fällt mir jedoch auf :

die Fäden brauchen viel Platz im Gewebe, wenn sie Ripsartig zusammen gedrückt werden.

Im Idealfall soll der Kettfaden ganz unter den farbigen Streifen verschwinden. Das klappt nur, wenn die Kettfäden nicht zu dicht nebeneinander stehen. Das macht das Grundgewebe recht locker. Vielleicht ist das der Grund für das aufrauen zwischen den Streifen ?

 

Bilder :

unter Spannung am Webstuhl

Die Webkante nach einem Original Fragment

10.04 16

Was lange währt, wird endlich gut.

Der Stoff ist vom Webstuhl, ist geputzt, gewaschen und getrocknet, das Wetter ist schön, also gibt es auch Fotos.

 

Geputzt bedeutet, das Knoten und herausstehende Fäden mit dem Muster vernäht werden. Anschließend werden sie glatt am Gewebe ab geschnitten, so das sie im Optimal Fall, nicht mehr auffallen. Die Knoten und Fäden entstehen wenn bei der Arbeit ein Faden reißt. Der Weber spricht dann vom Fadenbruch. Bei diesem Gewebe waren es sehr viele Fadenbrüche, so das ich das Gefühl habe, mit jedem einzelnen Faden auf Du und Du zu sein.

 

Weißer Riese war gestern, heute ist es Bunt.

 

 

 

 

 

Von Anfang an, war ein klein wenig mehr Kette eingeplant, so das ich an Ende noch ein wenig mit Muster, Farbe und Material spielen konnte.

Nun wo der Stoff vom Webstuhl ist, mit einem Stück Abstand zur Arbeit, finde ich den Stoff erneut ausgesprochen raffiniert. Durch die unterschiedlichen Strukturen, Richtungen und unterschiedlicher Dicke der Garne, wirkt der Stoff, als seien Bänder aufgelegt.

 

Hier im Bild sind die roten Streifen aus handgefärbter Seide (Lac) aus dem Hause Marled Mader.

Der Glanz und Schimmer hat sich schwer einfangen lassen.

Alle anderen Garne sind aus handgefärbter Wolle. Indigo, Reseda und Cochenille waren hier die Farbgeber.

 

Auch mit dem Fall des Stoffs bin ich zufrieden. Das kann ich mir sehr gut als Kleiderstoff vorstellen.

 

Den Stoff werde ich Samstags auf der IRM zeigen, Sonntag wird er vermutlich nicht mehr da sein, denn dann heißt es Hello Wien*. ;-)

Ein ganz kleines Stück diesen Stoffs, wird in meine Mustersammlung wandern, die mich in Dienst ständig begleitet, so das er auch später bewundert werden kann.

 

* Servus Wien - wir freuen uns auf Bilder des fertigen Projekts.

 

Quellen:

 

Textiles and Clothing, C.1150-1450: Medieval Finds from Excavations in London

ISBN-10: 1843832399 

ISBN-13: 978-1843832393

Der Altenberg. Eine Bergbausiedlung des 13. Jahrhunderts im Siegerland. Band 1: Die Befunde, Band 2: Die Funde

ISBN-10: 3774928320 

ISBN-13: 978-3774928329

 

Lübecker Schriften zur Archäologie und Kulturgeschichte Band 22

die Spätmittelalterlichen und Frühzeitlichen Wolgewebe und andere Textilfunde aus Lübeck

Klaus Tidow

 

 

Nesat 3

Spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Textilfunde aus Lübeck und ihre frühere Verwendung

Klaus Tidow

 

 

Lübecker Schriften zur Archäologie und Kulturgeschichte

Textilfunde aus dem Burgkloster und dem Heiligen-Geist-Hospital in Luebe

Klaus Tidow

 

Ein schönes Fragment dieser Stoffe wird in Schloss Gottorf / Schleswig ausgestellt.

 

GANZ HERZLICHEN DANK AN DIE WEBERMEISTERIN A.HOCHSTEDT/KIEL FÜR IHRE FACHLICHE HILFE.