24.11 14
In der slawischen Siedlung Ralswiek wurde ein Wollhandschuh gefunden, der auf das 8-9 Jahrhundert datiert ist. Ein kleiner Arbeitskreis Textile Rekonstruktionen vom Projekt Eisenwald, dem ich angehöre (dem Arbeitskreis, nicht der Truppe) hat sich den Handschuh unter Anderem, für diesen Winter zum Thema gemacht..
Zum Handschuh selbst gibt es wenige Informationen. Es gibt eine schöne Zeichnung in einem Buch, viel mehr aber leider nicht. Diese Zeichnung habe ich vereinfacht ab gemalt, um überhaupt etwas zeigen zu können.
Selbst gesehen habe ich den Handschuh leider nicht, alles worauf ich mich stützen kann, sind wenige Bilder, meist unscharf und schlecht beleuchtet.
Meine Umsetzung:
benutzt habe ich für den rechten Handschuh, Reste die beim Projekt Hose angefallen sind.
Zuerst habe ich aus Abdeckfolie ein Schnittmuster nach einer Schablone des zukünftigen Besitzers erstellt. Durch die Folie kann man besser durch schauen als durch Papier und es lässt sich später schöner in Dokumentenhüllen archivieren.
Für den Handrücken habe ich zwei Reste mittels Kapnaht zusammengefügt.
Da auf der Zeichnung die Position der Naht des Daumens nicht zu erkennen ist, habe ich beschlossen, sie aussen am Daumen lang laufen zu lassen. Eigentlich müsste solch eine Naht zu sehen sein, aber die einzige mögliche Position auf der Daumeninnenseite erscheint mir unpraktisch, da dies die belasteste Stelle der Handschuhs ist, und später den Tastsinn beeinträchtigen würde.
Mit meinem Daumen bin ich gänzlich unzufrieden.
Das Daumenloch habe ich ausgeschnitten, und den fertig genähten Daumen von der Rückseite her eingeschoben. Mit Überwendlingsstichen ist der Daumen eingenäht, zwei Reihen habe ich dazu gesetzt.
Auf der Buchzeichnung sieht die offene Naht so aus, wie ich es von meinen Kapnähten her kenne, deshalb hatte ich mich entschlossen, den Handschuh mit solchen Nähten zu nähen.
Der Versuch die beiden großen Handschuhteile per Kapnaht miteinander zu verbinden, ist nicht gelungen. So sind die Teile per Saumnaht versäubert und per Überwendlingsstich mit einander verbunden.
Sollte eine der Nähte später einmal kaputt gehen, wäre es toll, wenn die offene Naht fotografiert würde um zu sehen, ob die Naht ähnlich aussieht, wie am Original.
Bevor die Stulpe an den Handschuh genäht wird, geht der Handschuh auf die Reise zum späteren Besitzer um die Passform zu überprüfen.
MITTLERWEILE IST DER HANDSCHUH BEIM ZUKÜNFTIGEN TRÄGER.
Der Handschuh ist zu weit, der Daumen passt zwar - immerhin, aber er sieht auch an der Hand kein bisschen so aus, wie am Original.
Da habe ich Lehrgeld gezahlt.
Nach gemeinsamer Beratschlagung haben wir beschlossen noch mal ganz neu zu beginnen. Denn den Handschuh wieder zurück schicken, umändern, das Vorderteil mit dem vermurksten Daumenloch austauschen, wäre ein zu großer Aufwand.
Es gibt einen Vergleichsfund der hier sehr schön dokumentiert ist:
http://www.medieval-baltic.us/vikmitten.html
(danke Marled Mader für den Link !)
Nach diesem Schnitt wird der nächste Versuch erfolgen.
22.12 14
Ein paar Handschuhe machen, ist eigentlich überhaupt kein Ding. Sind relativ schnell gemacht, man braucht auch nicht viel Material.
Ein Problem ist es allerdings, wenn die Handschuhe sitzen sollen, und der zukünftige Besitzer nicht vor Ort ist.
Man kennt es vielleicht von Arbeithandschuhen : einen schlecht sitzenden Handschuh hat man bei der Arbeit schnell in die Ecke geworfen und macht ohne weiter. Damit das bei unserem Ralswieker Handschuh nicht passiert - er soll ja viel getragen werden um einen Langzeit Trageversuch zu machen, soll er möglichst angenehm sein. So ist also ein Probehandschuh aus Lumpen per Postweg etliche Kilometer gewandert.
Nun scheint die Passform gefunden zu sein.
Diesmal habe ich einiges Anders gemacht. Alle Teile sind per einfacher Saumnaht versäubert und mit Überwendlichstich verbunden. Das Daumenloch ist als Schlitz gearbeitet und zwar hochkant um die Last zur Kante hin, besser zu verteilen, quer würde zu schnell ausreißen. Der Daumen ist in zwei Teilen gearbeitet und hat eine viel schönere Passform.
Das Daumenloch ist mit Knopflochstichen versäubert, der Daumen per Überwendlichstich eingesetzt.
Wie der Zufall es wollte musste ich an jeder Hand die Außenseite stückeln, so das eine gewisse Symmetrie entstand.
Nun bin ich gespannt wie die Handschuhe passen.
Ab in die Post und warten ...
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Sie sind beim Besitzer angekommen und dieser hat mir Bilder geschickt:
Nachtrag 21.10 2024 :
es gibt neue Bilder vom Handschuh im Strahlsund Museum
Nachtrag 06.12.2023
es gibt einen kleinen Youtube Film im dem der Handschuhe schön zu sehen ist :
Der Handschuh von Ralswiek –Landesgeschichte im Rostocker Rathaus erleben - YouTube
Literatur:
DIE SLAWEN IN DEUTSCHLAND
Geschichte und Kultur der slawischen Stämme westlich von Oder und Neiße vom 6. bis 12. Jahrhundert
Ein Handbuch ( Neubearbeitung )
Herausgegeben von Joachim Herrmann
AKADEMIE - VERLAG BERLIN 1985