11.10 17
Das Projekt beginnt mit dem Anlegen einer Gewebeplanung
Anzahl der Kettfäden, die Länge der Kette, der Einsprung des Gewebes beim Abnehmen vom
Webstuhl und den Einsprung bei der ersten Wäsche werden berechnet, und so der Bedarf an
Materialien ermittelt. Der Gewebeplanung liegen die durch den Auftraggeber übermittelten
Detailfotos zu Grunde. Auf dieser Basis erfolgte in Absprache: Materialauswahl, optische basierte
Ermittlung des Spinnwinkels und der Garnstärke. Zusätzlich wurden die durch K. Schlabow
durchgeführten Materialanalysen mit einbezogen und mit der Publikation von H. Hahne verglichen:
Gewebe auf Maß gewebt, endgültige Maße ca. 200 x 170 cm, abgesetzter vierschäftiger Spitzköper (Bindungsdefinition nach K. Schlabow) Kette ca. 7 Fäden pro Zentimeter, z-gesponnen, ca. 1 mm Garndurchmesser, fest gedreht; Schuss ca. 5 Fäden pro Zentimeter, s-gesponnen, unregelmäßige Dicke (ca. 0,8-2,8 mm), lockerer gesponnen als Kette, Anfangskante oben, schlauchförmige Webkanten an den Seiten, Fransenabschluß (gedreht) unten.
Als Material wurde für die Kette ein industriell gesponnenes Garn gewählt. Es hat eher grobe
Einzelfasern und ist gemäß der Norm Z gedreht.
Das Garn für den Schuss soll S gedreht sein, also entgegen der Norm, und handgesponnen.
Als Grundstock wurden 3 frisch geschorene Schaf Vliese von der Nutztierarche Stocksee bezogen. Auf der Arche leben div. Schafrassen, ausgesucht wurden wegen der langen Haare zwei Devon Mix und ein Coburger Fuchs/Scottish Blackface Mix.
Die Vliese wurden zuerst mit der Schnittseite nach unten, auf Tüchern ausgebreitet um groben
Schmutz und unbrauchbare Büschel aus zu sortieren. Dann wurden sie gewendet, und die kurzen
Stellen an denen der Scherer bei der Schur neu ansetzen musste, entfernt.
Nun wurde die Vliese auf ein Metallgitter ausgebreitet um von Hand den Schmutz aus zu schlagen.
Anschließend wurden sie in warmen Seifenwasser gewaschen, klar nachgespült und in der Sonne
getrocknet.
Um die einzelnen Flocken per Trommelkardierer zu kämmen, wurden sie von Hand durch zupfende
Bewegungen aufgelockert. Dabei wird jede Locke nochmals auf Schmutzpartikel wie Stroh, Samen
und andere Pflanzenteile abgesucht und befreit.
Um die unterschiedlichen Längen, Kräuselungen, und Haarstärken einheitlich zu verteilen, wurden die Portionen die beim Kardieren jeweils von der Trommel genommen wurden, wiederum in kleine Portionen geteilt und ein zweites Mal per Trommel kardiert.
Vlies 1 und 2 wurden ausgewählt und miteinander beim kardieren vermischt, Vlies 3 aussortiert weil es deutlich kurzfasriger und struppiger war, als die anderen Beiden.
Die Kunst einer Nacharbeitung liegt nicht nur darin, die Sache gut zu machen, sondern das Original mit allen Stärken und Schwächen zu kopieren. Dies fängt beim Herstellen des Fadens an. Das Schussgarn im Original wirkt ein wenig nachlässig gesponnen und weist Unregelmäßigkeiten auf.
Um nicht nur einfache Fäden herzustellen, sondern einen Faden zu kopieren, benötigt es viel
Routine, und so wurde diese Arbeit in die geübten Hände von Frau Sylvia Crumbach gegeben.
Das Kettgarn wurde vorbereitet indem es auf einem Elektrospinnrad nach gedreht wurde, um eine
ähnlich starke Drehung wie das Kettgarn des Originals zu haben.
Gewebt wird auf einem modernen Handwebstuhl, die Bindung ist ein Fischgrat mit einem 16ner
Rapport.
Da die Breite eines modernen Handwebstuhls ohne Schnellschuss, von der Armlänge des Webers
abhängig ist, wird das Gewebe in Falttechnik hergestellt. Das Gewebe liegt, in der Mitte gefaltet,
doppelt auf dem Webstuhl. Um eine Reihe durch zu weben benötigt es 2 Schüsse. Die untere Seite wird blind gewebt. Für dieses Muster in dieser Technik sind 8 Schäfte am Webstuhl nötig.
Aus dem zur Verfügung stehenden Material werden 2 Tücher gewebt.
Die Zöpfchen werden unter Spannung am Webstuhl gedreht,und zwar entgegen der Spinnrichtung
und nur einfach. Die Zöpfchen werden mit einem Hilfsfaden gesichert, der später nach der Wäsche
wieder entfernt wird.
Die Borte wird mit Hilfe eines Bandwebrahmens und eines einfachen Webkamms angewebt. Als Kette wird das gleiche Garn wie am Webstuhl verarbeitet, der äußerste Faden wurde auf einer Handspindel aus 2 Fäden verzwirnt.
Die Enden werden mit einfachen kleinen Knoten gesichert. Wie die Bortenenden des Originals
gesichert waren, lässt sich leider nicht mehr festellen. Nach den Bildern von H.Hahne erschien mir diese Lösung am geeignesten und auch den Bildern der verlorenen Ecken nach, am Ähnlichsten.
Nach dem Weben und vor dem Waschen, wird das Gewebe geputzt.
Fadenansätze werden glatt auf dem Gewebe abgeschnitten, gerissene Fäden werden im Gewebe
dem Muster folgend vernäht.
Gewaschen wird das Gewebe von Hand.
Über Nacht wird das Gewebe in kaltem Wasser eingeweicht, danach mit handwarmen Wasser mit
einer milden Wollpflege gewaschen. Besondere Aufmerksamkeit benötigen die Zöpfchen.
Bei der Anfertigung des Probegewebes stellte sich heraus, das die einfach gedrehten Zöpfchen sich auflösen, weil sie nicht gegenläufig gekordelt sind. Nach Absprache mit dem Auftraggeber wurden die Zöpfchen mechanisch, mittels Seife separat gefilzt.
Das Gewebe wird in der Waschmaschine geschleudert (Schonschleudern), im Trockner
angetrocknet (Wollprogramm) und auf der Wäscheleine durchgetrocknet.
Die trockenen Tücher werdenn. nun zertrennt und erneut geputzt. Dank des Nachfilzens sind die
Zöpfchen stabil und können getrennt werden, die Hilfsschnur kann entfernt werden.
Bilder : die fertige Decke, angewebte Borte mit Ecklösung, Schlauchkante
Das Original Gewebe wird im Ostfriesischen Landesmuseum Emden ausgestellt.
http://www.landesmuseum-emden.de/17-0-22
Bezugsquelle für die Rohwolle:
Astrid und Andreas Holdstein
Waldweg 38
24326 Stocksee
http://holsteiner-schwarznasen.npage.de/index.html
Herzlichen Dank an Sylvia Crumbach die mir das Spinnen des Schuss Garns abgenommen hat, ohne sie säße ich immer noch am Spinnrad. Weiteren Dank an meinen Sohn Johannes, der mir die Patrone für das Faltgewebe am 8 Schäftigen Kontermarsch Webstuhl geschrieben hat.