18.02 16
Im Wikingerzeitlichen Norddeutschland gibt es mehrere Funde von Webpelzen.
Ein Fragment ist im Landesmuseum Schloss Gottorf / Schleswig ausgestellt.
Es wurde in der mittelalterlichen Siedlungsschicht im Hafen an der Plessenstraße gefunden und war in Zweitverwendung als Teerlappen genutzt worden. Das Stück wurde in einem aufwendigen Verfahren von Teer und Schmutz befreit, und man kann gut erkennen, das es wohl einmal ein Kragenbesatz gewesen sein muss.
Frau Inga Hägg hat das Stück in Ihrem neuen Buch ausführlich vorgestellt.
Es ist eine ganz besondere Freude für mich, das sie einige der Schleswig Textilien vorstellt, denn ich habe schon lange nach detaillierten Informationen dazu gesucht.
In Haithabu gibt es einige ähnliche Stücke, die sich zum Teil in der Herstellungs Technik unterscheiden. Frau Hägg nennt sie alle Zottengewebe.
Über das "Warum gewebter Pelz" habe ich lange nachgedacht. Hat es an Echtem Pelz gemangelt ? Wer kann schon Modeentwicklung nach voll ziehen ?
Vielleicht ist Webpelz weniger steif, als Echtpelz ? Pflegeleichter, weil es nach einem Regenguss weniger hart wird ? Vielleicht war es auch um den Stolz und Fleiß der Hausfrau (sollte es im Hauswerk entstanden sein) zu repräsentieren ?
FRAGMENT B 18 TEIL D
In der Publikation heißt es, es wurden Rinderhaare verarbeitet.
Als Stadtkind musste ich erst einmal herausfinden, welches Rinderhaar. Rinder sind mir als Pelztier bzw. Faserspender unbekannt. Wie sah die Kuh im 11ten Jahrhundert in Norddeutschland aus ? In der kalten Jahreszeit mit weichem vermutlich glänzenden wolligem Winterfell ?
Gibt es solche Rinder heute noch ?
Heute ist das ganze Fragment beinahe Schwarz.
Lange Zeit habe ich überlegt, welches Material als Zotten zu bekommen ist, Rinderhaare dürften schwierig bis unmöglich zu beschaffen sein...
Dann habe ich durch einen glücklichen Zufall das Flies eines Schafs ganz aus der Nähe von Haithabu und Schleswig bekommen können. Das Flies hat feine Naturlöckchen, ist Naturbelassen, von heller Farbe und hat einen feinen Glanz.
In der Nutztierarche Stocksee werden Schafe unterschiedlicher Rassen gehalten, das Augenmerk liegt weniger auf weicher Merinowolle, sondern es gilt alte Rassen zu erhalten.
Ideal für mein Projekt.
Die Fliese wurde gleich nach der Schur des Tiers verpackt. Die Löckchen hängen ähnlich einem Fell noch aneinander, sie sind noch schmutzig* und fettig, es hängen noch Pflanzenreste darin. Würden sie vor dem verarbeiten gewaschen, fallen die Löckchen auseinander, oder filzen an.
*Schmutzig ist keineswegs negativ gemeint. Man muss wissen, innerhalb eines Jahres sammelt sich viel in einem so dichtem Fell, das ist ein Merkmal für ein Schaf, das so leben darf, wie man sich das vorstellt.
DIE UMSETZUNG :
Die Bindung ist ein 2/2er Köper, die Garne aus 100% Wolle, ungefärbt.
Wie beim Original sind alle Garne S gedreht. Das Schussgarn ist deutlich dicker als das Kettgarn.
Die Locken/Zotten lege ich einfach unter 2 Kettfäden durch, so das sie oben auf dem Gewebe liegen.
Bild : die ersten 2 Reihen
Als Verwendung wird, wie oben geschrieben ein Kragenbesatz angenommen. Da die Arbeit aufwendig ist, arbeite ich Projektbezogen Streifen, so kann ich später die Stücke versäubern ohne die Pelzstücke zerschneiden zu müssen und habe Material für Nähte. Für einen Streifen von 50cm Breite und 10 Reihen Zotten benötige ich am Abend des ersten langen Arbeitstages, als sich Routine eingefunden hat, mehr als eine Stunde.
Bild : Blick unter den Webstuhl, die Zotten sind von der Arbeit flach gedrückt
22.02 16
Würde ich in zurück in die Vergangenheit reisen, und sich das Schleswiger Stück zu seiner Glanzzeit anschauen, wäre ich vermutlich ernüchtert. Es wird von gekonnter Hand mit viel Geschick und so manchem Kniff gearbeitet gewesen sein. Es wird eine Schönheit gehabt haben, die man dem heutigen Teerlumpen nicht mehr ansieht. Vielleicht wurden nur ausgsucht schöne Locken verarbeitet ?
Mit meinem ersten Versuch bin ich sehr zufrieden, aber ich bin mir bewusst - da sind Steigerungen möglich.
Mein Gewebe ist vorsichtig gewaschen, um das Fett und den Schmutz aus zu spülen. Obwohl ich nur mit handwarmen Wasser, etwas Seife und nur wenig Bewegung gewaschen habe, sind die Locken im Unterpelz angefilzt. Nass auf der Leine sah es zum fürchten aus.
Frisch gewaschen sieht der Yeti auch nur wie ein nasser Pudel aus.
Aber nach dem Trocknen sieht es ganz anders aus:
Im Bild immer das gleiche Stück : von der Schauseite, Rückseite (mit Webfehler) und Rückseite in der Vergrößerung
Das Haar klebt nicht mehr, es ist heller, weil das Fett und der Staub ausgewaschen ist.
Erstaunlich finde ich, das man die eingelegten Locken auf der Rückseite so gut wie gar nicht sieht.
Das kleine Stück im Bild ist auf einen Heftstreifen aufgenäht, es wird in meine Textilmappe eingelegt, die ich in diesem Jahr auf Veranstaltungen zeigen möchte.
Durch die Bindung des Grundgewebes 2/2er Köper bleibt es relativ geschmeidig. Leinwand wäre vermutlich steifer, ebenso die Bandwebtechniken. Die Bindung ist wichtig.
Bild :
1 Ausgangsmaterial, 2 Frisch gewaschen, getrocknet und 3 zu Streifen zu geschnitten. Das Apfelmus dient als dritte und vierte Hand.
Literatur:
Inga Hägg: Textilien und Tracht in Haithabu und Schleswig
Wachholtz Verlag GmbH 01/2016
ISBN-13: 9783529014185