Oft trägt man den Wunsch an mich heran, ich solle einen Tunika, Hosen oder Kleiderstoff von Hand weben, man wolle endlich so richtig authentisch sein.
Leute jetzt müsst Ihr ganz stark sein : handgewebt alleine macht eine Klamotte genau so wenig autentisch wie pflanzengefärbt !
Bevor Ihr überlegt viel Geld auszugeben, solltet Ihr Mühe in die Recherche stecken.
Es genügt nicht zu schauen, was haben die Anderen, oder den Kitguide einer Gruppe zu lesen - sei sie auch noch so gut. Man übernimmt zwangsläufig Ungenauigkeiten, die wenn man sie selbst noch ein wenig "persönlich optimiert" zu argen Schnitzern werden können.
Wie geht man denn nun ran ?
Ein guter Anfang ist es in Ausstellungskatalogen zum passenden Zeitraum und der Region zu schauen. Man sucht nach Bildbelegen in Büchern, Steinbildnissen, figürlichen Darstellungen und hat so schon einmal eine Vorstellung, wie es optisch hätte sein können. Zu beachten ist hier die Bildsprache : wer und was wird dargestellt, kann man dem was man da sieht einfach so vertrauen ? (Quellenkritik)
Unten in den jeweiligen Beschreibungen zu den einzelnen Objekten oder im Anhang finden sich oft Literaturhinweise und man hat seinen nächsten Anhaltspunkt zum weitersuchen.
Um nicht jedes Buch kaufen zu müssen lohnt eine Mitgliedschaft in einer Bücherrei nach Wahl. Dort kann man in der Regel für kleines Geld die Bücher per Fernleihe kommen lassen.
Bild : mein Entwurf für eine Tunika nach einem Steinbildnis
Der nächste Schritt ist nach Textilien im Fundgut zu suchen. Das ist wirklich nicht einfach, aber es finden sich oft unverhofft Fundstücke.
Textilien sind in der Regel schnell vergänglich, die Erhaltungsbedigungen sind schwierig bis oft unmöglich je nach Boden und Region. Meist sind nur winzige Fragmente erhalten, ABER es finden sich mit etwas Glück indirekte Funde z.B. auf der Unterseite von Keramik als Abdruck, wenn frisch getöpferte Gefäße in Tüchern eingeschlagen wurden, oder aber wenn Metalle ins Gewebe korridiert sind, und sich die Gewebe als Abdrücke/Stempel erhalten haben.
Manchmal finden sich Hinweise in Schriftquellen, als Einkaufslisten oder Inventarlisten.
Selten findet man all diese Dinge zu einer Darstellung. Oft muss man Vergleichsfunde heranziehen, schauen was war in dieser Epoche überhaupt erhalten, je früher die Epoche umso weit gestreuter muss man suchen.
Je mehr man sich einliest, umso schwieriger wirkt oft die ganze Sache.
Liest man die technischen Beschreibungen von alten Textilien, begegnet man Details wie S/Z gesponnen und fragt sich was hat die Drehung des Fadens mit der Klamotte zu tun ? Und ist das überhaupt wichtig ?
Das kommt ganz darauf an, wozu man das Textil haben möchte.
Je echter es sein soll, um so näher sollte es am Original sein. Das beginnt mit der Auswahl der Spinnfaser, geht über die richtige Drehung des einzelnen Fadens und seiner Ausrichtung ( S oder Z gedeht = mit oder gegen den Uhrzeigersinn) über die richtige Dicke und der Anzahl der Fäden je cm zur Bindung. Das Schnittmuster sollte stimmen, die Färbung, der Nähfaden und die Nahtart.
Die einzelne Faser im Faden und der Faden selbst bestimmen schon den Fall des späteren Kleidungsstücks.
Braucht man das alles ?
Sagen wir mal so - das hat eigentlich kaum jemand. Einfach weil man den passenden Faden in der Regel nicht von der Stange bekommt. Die heutigen einfädigen Garne sind nicht für den Handwebstuhl gedacht. Sie werden auf modernen vollautomatischen Webstühlen zu den Stoffen verarbeitet die wir kennen.
Der einzelne Faden ist nicht so fest gesponnen, als dass er ohne Probleme auf dem Handwebstuhl verarbeitet werden kann, es erfordert einigen Aufwand per Hand daraus Gewebe herzustellen.
Um die passenden Garne von Hand zu spinnen, muss man schon ein wirklich geübter Spinner sein, die Fäden müssen fest, glatt und regelmässig sein. Es benötigt große Mengen Garn und man muss bedenken das Abfall dabei anfällt.
Was also tun ?
Es geht also leider nicht ohne Abstriche, wenn das Textil nicht den Wert eines Kleinwagens haben sollte.
Es lohnt einen Stoff in einer seltenen Bindung oder Farbkombination weben zu lassen. Beispiel : man hat einen schönen Abdruck eines ausgefallenen Stoffs am Metall an einer Grabbeigabe. Eine Nacharbeitung in diesem Muster aus modernen Garnen ist ein schöner Blickfang und rundet eine Darstellung optisch ab. Zusammen mit anderen Trachtbestandteilen erhält man eine glaubwürdige Optik auch ohne eine Fadengenaue Nacharbeitung.
Im Bild : Ein Rippen/Rautenköper, nachgewebt nach einem Abdruck an einem Metallteil aus einem Grabfund.
Das alles soll heißen, Handgewebt macht immer dann Sinn, wenn es etwas nicht einfach von der Stange zu haben ist.
- Wenn eine Bindung oder Materialien im Fundgut auftauchen, die es von der Stange nicht gibt.
- Wenn Farbkombinationen gewünscht sind die im Handel nicht erhältlich sind
- Wenn ein Gewebe eine schmale oder überbreite Webbreite erfordert um z.B. die Webkanten zu nutzen
- das Gewebe konfektionierte farbige Musterstreifen haben soll
- oder aber z.B. bei den wirklich frühen Textilien die Haptik wichtig ist und das Gewebe von der Faser an stimmig sein sein
- bei Manteltüchern, die Fransen und angewebte Borten haben (Sofadecke bleibt Sofadecke und wird immer wie eine übergeworfene Sofadecke aussehen)