Schon als ich dem Fund zum ersten Mal im Netz begegnet bin hat er mich angezogen. Die Textilien sind ausgesprochen gut erhalten und haben viele hübsche Details. Die Person die darin bestattet wurde soll eine Frau um die 50 und etwa 1,60m groß gewesen sein. Auch das sagte mir - mach das !
Viele Jahre bin ich um den Fund (virtuell) drum herum geschlichen und habe überlegt.
Warum ?
Die vielen Funde bestatteter Personen sind oft aussagekräftig. Wichtiger als die geborgenen Gegenstände ist oft die Lage im Grab und der Zusammenhang. Die Position von Schnallen und Schließen gibt Aufschluss zur Kleidung, selbst wenn kein Textil mehr vorhanden ist. Mehrere Funde festigen Theorien wie eine Volksgruppe zu einer bestimmten Epochen ausgesehen haben könnten.
Die Kleidung aus Skjoldehamn ist einzigartig. Sie fällt aus der bekannten Mode des 11ten Jahrhunderts vollkommen heraus. Es gibt keinen Bildbeleg, keine Beschreibung einer solchen Mode.
Obwohl eine fast vollständige Ausstattung erhalten ist, sagt sie wenig über die Trägerin. Wer sie war und welchen Status sie hatte.
Die Ethnie der bestatteten Person ließ sich nicht wirklich zuordnen. Die Kleidung wirkt wie die der Sami. Die Sami sind das letzte Indigene Volk Europas. Ihre Kultur ist bis heute lebendig und gepflegt und sie verbietten sich eine Vermarktung dessen. Am Ende des Beitrags werde ich einen Link zu dieser Problematik einfügen.
Was bis heute sichtbar ist :
die Kleidung wurde mit viel Liebe zum Detail hergestellt. Sie wurde lange getragen, denn sie weist Verschleißspuren sowie etliche Flicken auf.
Meine vorläufige Version der Nacharbeit :
Das Grundmaterial ist ein industriell gewebter 2/2er Köper aus reiner Wolle.
Begonnen habe ich mit der Hose. Sie erscheint mir als schwierigstes Stück, da nur so viel erhalten ist dass man zwar weiß es war eine Hose die vermutlich bis zur Hüfte ging, die Form oberhalb der Beinröhren aber unklar ist. Meine Hose ist vermutlich etwas zu eng am Bein, aber bequem zu tragen. Eigentlich hätte ich sie gerne etwas weiter gehabt.
Die Untertunika trägt sich ebenfalls sehr angenehm. Der Stehkragen hält den Nacken schön warm, engt jedoch nicht ein.
Die Nacharbeit des Kittels hat mir einige Mühe gemacht. Per Augenmaß nachgeschneidert, fehlte es mir an Weite im Rockteil. Der Stoff war knapp bemessen und reichte für neue weitere Geren nicht aus. Ich musste aus meinem Fundus stückeln. Es fehlen noch die Flicken. Der V-Ausschnitt ist zu klein, auch ihn werde ich abändern.
Mein Gürtel ist proportional zu zierlich. Es ist der erste Versuch in einer neuen Technik. Ihn möchte ich später austauschen.
Es fehlen noch ganz :
Schuhe, Strümpfe, Gugel und die Decke. Sowie weitere Bändchen die auf Höhe der Knöchel gefunden wurden.
Tragen werde ich diese Kleidung im Museum. Es findet damit kein Living History oder Reenactment statt.
Hergestellt habe ich sie auf eigene Initiative, speziell zu den Wikingertagen 2018 in Oerlinghausen, wo meine Tocher seit Jahren mit den Kindern eins dieser Bändchen als Kindermitmachaktion anbietet. Der Gedanke war, den Kindern zu zeigen, wo das Bändchen hingehört.
Bedanken möchte ich mich bei Sylvia Crumbach, Mitarbeiterin des Freilichtmuseums Oerlinghausen, für die Präsentation dieser Ausstattung im Rahmen der historischen Modenschauen. Sie hat mit wenigen Sätzen zusammengefasst und auf den Punkt gebracht was mir so lange durch den Kopf ging.
Quellen :
Buch:
Katrin Kania : Kleidung im Mittelalter
im Netz:
http://www.vesteraalen.info/reportasjer_andoy_skjoldeforedrag_07.htm
http://www.ceilingpress.com/Resources/SkjoldehamnFindInLightofNewKnowledge.pdf
der oben angekündigte Link :
http://www.julia-keil.de/files/ma_kapitel1.pdf
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Das Freilichtmuseum Oerlinghausen als Gastgeber und Kulisse für meine Bilder :