· 

Endveredelung von historischen Stoffen

Ein Thema bei historischen Textilien indem viel Unklarheit herrscht ist die Endveredeleung von Stoffen.

Einiges ist überliefert, vieles sicherlich verloren und oft glaubt man alles in einen Topf werfen zu müssen.

Textilien sind vielseitig, ganz ähnlich wie Holz aus dem man nicht nur Häuser und Schiffe sondern auch Gebrauchsgegenstände und Kunsthandwerk herstellen kann. So wie es für die verschiedenen Werkstücke nicht nur unterschiedliche Baumarten sondern auch innerhalb eines Baumes unterschiedliche Holzqualitäten gibt, die man nutzt oder nicht nutzt, ist die Palette des Möglichen bei den Textilarbeiten sehr vielfältig.

Oft erwähnt werden die Abbildungen der überlieferten Bilder von Tuchscherern, von Kardenbürsten, von Walkmühlen und oft glaubt man all dies wäre hintereinander mit ein und dem selben Tuch passiert.

Arbeitsschritte bei der Tuchherstellung im Mittelalter
Fenster der Mantetuch-Weber in Semur-en-Auxois im Burgund/Frankreich

Würde das Sinn machen ? 

Ja natürlich, aber immer ?

Nein. Das ist zu einfach gedacht.

Textilien waren schon immer raffiniert. Heute haben wir eine Vielzahl von Funktionsgeweben, von Verpackungen für zB Lebensmittel und Baustoffe und technischen Geweben für Industrie und Agrarkultur über Wohntextilien bis zur Kleidung aus diversen Ausgangsstoffen.

Diese Vielzahl an Funktionsgeweben unterscheidet sich bei den historischen Geweben in ihren Materialien. Kommen heute viele unterschiedliche Kunstfasern und Naturfasern sowie Gemische aus beidem zum Einsatz, war man in früheren Zeiten ausschließlich auf Naturmaterialien angewiesen. Funktionsgewebe zu sicherlich ganz unterscheidlichen Zwecken gab es dennoch.

 

Beginnen wir beim berüchtigten Sackleinen des Mittelalters. Es gab es wirklich. Es sah aber ganz anders aus, als der Rupfen der heute dafür her halten muss. Während Rupfen aus Jute ist, ist echtes Sackleinen aus (Überraschung!) Leinen.

Schon bei der Umwandlung von der Pflanze zum Spinngut wird die Faser in unterschiedliche Qualitäten sortiert. Die Niederste ist der Werg, mit seinen gröberen Fasern, die etwas kürzer, strubbeliger und rauher sind als die Fasern aus denen man Wäscheleinen webt. Zum Wegwerfen zu schade eigent sich diese Faser immer noch um relativ dichte Gewebe herzustellen, die sich für Säcke aller Art, Verpackungen von Handelswaren aber auch für Planen eignen. Leinen hat die Eigenschaft viel Wasser aufzunehmen, es quillt dabei und im richtigen Winkel gespannt, ist es dann relativ wasserdicht.

Leinen hat kühlende Eigenschaften. Unterkleidung aus Leinen und Oberbekleidung aus Wolle als Kombination hat isolierende Eigenschaften, man ist egal wie das Wetter wird den ganzen Tag lang richtig angezogen.

 

 

Schafwolle war ein wichtiger Rohstoff. Während Leinen nicht in allen Regionen zu allen Zeiten gleich gut angebaut werden konnte - man denke an die salzhaltigen Böden in Küstennähe und an die für den Anbau zu steinigen Bergregionen - sind Schafe oft genügsam. Unterschiedliche Landschaften benötigen unterschiedliche Schafarten. Die unterschiedlichen Schafarten bringen unsterschiedliche Fasern hervor, von derber Teppichqualität bis zur weichen Merinowolle. Diese Wollarten unterscheiden sich in der Länge des einzelnen Haars - ein langes Haar lässt sich besser zu glatten Fäden verspinnen - aber auch in der Feinheit des einzelnen Haars. Heute misst man diese Feinheit in Micron. Die feinste Wolle kam im Mittelalter aus Spanien, wo es ein deutlich milderes Klima gibt.

Aber Feinheit alleine ist nicht alles. Das friesische Tuch, in mehren Schriftquellen lobend erwähnt, ist immer noch nicht entschlüsselt, und eins seiner Geheimnisse könnte bei der Gewinnung vom Schaf liegen : es ist möglich den natürlichen Fellwechsel im Frühjahr zu nutzen um die Wolle vom Schaf zu raufen. Dabei verbleiben die Grannenhaare, die beim Fellwechsel nicht abgestoßen werden am Tier. Die Grannenhaare sind die Fasern die eine Wolle oft kratzig machen. So gewinnt man trotz durchschnittlicher Haarstärke eine wenig kratzende Faser.

Je sorgfältiger die Wolle vorbereitet ist ums so glatter werden die gesponnenen Garne. Es ist möglich die Wolle aus der grob gelockerten Flocke zu verspinnen, oder aber die Wolle sorgfältig zu kämmen. Gekämmt wurde Rohwolle übrigens niemals mit Disteln auch wenn dieses Gerücht genau so haltbar ist wie das eingangs erwähnte Sackleinen. Im Bereich von historischen Darstellungen haben sich Kämme mit langen spitzen Eisenzinken gut bewährt und solche Zinken haben sich im historischen Fundgut erhalten.

Was die Vorbereitung der Rohwolle angeht habe ich nun Arbeitsschritte übersprungen, das Sortieren, das Reinigen durch Schlagen und Waschen. Ich fürchte dieser Post würde zu lang, all die Details zu beschreiben.

 

Wie beim Leinen schon, kann man auch Schafwolle nach Qualitäten sortieren. Bauch und Hinterteil sind die weniger attraktiven Bereiche, Rücken und Hals die feineren. Viele Schafvliese sind nicht durchgehend weiß, grau oder braun, sondern haben unterschiedliche Farbschattierungen, die man nutzen oder aber mischen kann. Das Vlies hat lange Oberwolle und feine Unterwolle die man mit einfachen aber in der Masse aufwendigen Handgriffen trennen und unterschiedlich nutzen kann.

Schon beim Spinnen sollte entschieden sein, was aus dem Material werden soll - hier fällt mir wieder der Vergleich zum Holz ein, hat man aus seinem Baum schon Bretter geschnitten, hat man keinen Balken zur Hand.

Das Garn kann in 2 mögliche Richtungen gesponnen werden : mit dem Uhrzeigersinn oder dagegen. (Siehe auch warum unterschiedliche Spinnrichtungen) Es kann zu dicken oder dünnen Fäden versponnen  und durch die Stärke der Drehung zu besonders festen oder lockeren Garnen. Die Stärke der Drehung entscheidet über die Reißfestigkeit. Je stärker der Faden gedreht ist umso reißfester und härter wird er.

Nebenher ist es möglich mit überdrehten Fäden Gewebe herzustellen die sich zusammenziehen. Nachgewiesen ist ein solcher Krepp-Stoff in Haithabu.

Wir kennen es alle, Schafwolle neigt dazu zu verfilzen. Je flauschiger und lockerer die Wolle ist um so empfindlicher ist sie. Umgedreht, je stärker und robuster ein Faden ist, um so weniger neigt er zum Filzen. Auf der Haut macht das große Unterschiede, ein Textil kann weich und flauschig sein oder fest und glatt. (Die Kratzigkeit hat da übrigens wenig mit zu tun, das schaffen alle Arten.) Diesen Effekt des Filzens kann man sich zunutze machen. Reine Filze wie sie heute verwendet werden, kenne ich aus dem Mittelalter nicht und und auch gewalkte Stoffe sind schwer auszumachen, könnten die heute erhaltenen Textilien doch auch durch Druck und Reibung in Boden und Wasser nachträglich gewalkt sein. Aber es gibt Nachweise fürs Walken, wie oben im Kirchenfenster in Semur-en-Auxois in Frankreich, einem Ort in dem im späten Mittelalter Manteltuche hergestellt wurden. Das Fenster gehört zur Kapelle der Tuchweber innerhalb der Kathedrale und zeigt viele mögliche Arbeitsschritte bei der Herstellung von Mantelstoff.

Bevor ich meine Leser gänzlich ermüde - Ziel dieses Blogeintrags ist:

es gab nicht DEN Stoff im Mittelalter, es gab viele ! Man kann nicht sagen dass die Stoffe generell gebürstet, geschoren und gewalkt wurden. Man kann auch nicht pauschal sagen alle Stoffe wurden nach dem Weben als Ganzes gefärbt, denn es gibt Stoffe aus unterschiedlich farbigen Fäden.

Es gab nicht eine Vorgehensweise sondern sicherlich ebenso viele um weich fallende, glatte, stumpfe oder dezent edel glänzende Stoffe herzustellen. Wasser- und winddicht, luftig und leicht, robust und schützend, warm und schmeichelnd ... darum zählen Fachpublikationen all diese Details wie Micron, Fadendrehung, Spinnwinkel und Fäden per Zentimeter auf.

 

Für Museumsveranstaltungen habe ich eine Mappe mit von mir gewebten Fühlproben und Bildern zusammen gestellt, die ich als Display zeige. Die Mappe wächst von Jahr zu Jahr, da sie immer wieder ergänzt wird. Die Termine zu diesen Veranstaltungen stehen auf meiner Startseite. Bitte nicht mit den Messen verwechseln, dort würde diese Mappe den Rahmen sprengen.