Ein weiterer Herzenswunsch auf meiner Löffelchenliste ist die koptische Kindertunika, die 2019 in der Ausstellung "Europa in Bewegung" im Landesmuseum Bonn gezeigt wurde.
Wie immer wenn diese Tuniken präsentiert werden habe ich mich gefragt wie dieses Stück wohl am Träger ausgesehen hat. Die meisten koptischen Tuniken zeichnen sich durch die sehr breite Körperpartie und die sehr schmalen Ärmel aus. Eine kleine Zeichnung der Trageweise würde den Museums-Präsentationen sehr gut tun. Denn dass die Stücke vorsichtig behandelt werden müssen und eine Fältelung nicht in Frage kommt ist selbstverständlich,abereine kleine ergänzende Zeichnung der Tragweise würde zum Verständnis dieser Stücke beitragen.
Lange habe ich nach Literatur zu diesem Stück gesucht, neulich bin ich dann endlich fündig geworden. (siehe Anhang)
Die Maße sind leider nicht genannt, aber es gibt Vergleichsstücke mit Maßen. Dennoch kann mein Nachbau nur eine grobe Annäherung ans Original sein, im Bewusstsein von der Vorlage evtl. weit weg zu sein.
Mein Anspruch für dieses Projekt :
eine optische Annäherung
die eigene Neugier befriedigen - wie sah dieses Stück getragen aus ?
Übungsprojekt für die kleinen Bildwebereien (diese sind zur Zeit noch nicht fertig und sie bekommen später einen eigenen Post)
Nacharbeiten des süßen Hahnenkamms
Im Vergleich mit anderen Kleidungsstücken dieser Art fällt auf, dass dieses Stück aus Leinen genäht ist, dass die Bildwebereien allesamt eine Zweitverwertung sind und dass die Nähte mit ausgesprochen heißer Nadel relativ lieblos ausgeführt wurden. Ob es sich bei diesem Stück um ein günstiges Stück vom Second Hand Markt der Antike oder um eine Art Totenhemd handelt lässt sich nicht klären. Andere erhaltene Stücke dieser Machart (Kapuze mit Fransen) sind deutlich aufwendiger, hochwertiger und in Wolle gearbeitet.
Überrascht hat mich die Literatur damit, dass es sich vermutlich um Babykleidung handelt. Als ich vor der Vitrine mit dem Original stand dachte ich an ein Kind von evtl 4-5 Jahren.
Das Kleidungsstück ist so ganz anders geschnitten als wir es heute von unsere Kleidung gewohnt sind. Die Nähte unterhalb der Achsel sind etwa bis zur Hüfte und dem mittleren Ellbogen nicht geschlossen. Auf meinem Modell angezogen wirkt das Ganze wie eine Art Stampelsack der unten offen ist. Möglicherweise passt dieses Kleidungsstück über einen sehr langen Zeitraum bis das Kind laufen kann und ein wenig darüber hinaus.
Es wirkt sehr praktisch und ergiebig, wenn ich daran denke wie schnell meine eigenen Kinder ständig aus den Stramplern gewachsen waren und wie kurz diese oft nur getragen werden konnten.
Die Umsetzung :
Das Material für diese Tunika ist sogenanntes altes Bauernleinen das man ab und an günstig erstehen kann.
Die Dekoration wurde in Wolle gearbeitet.
Da mir die Maße für genau dieses Stücke fehlen, habe ich mich an Vergleichsfunden orientiert. Es scheint mir im Abgleich mit den Bildern aus der Ausstellung, dass meine Ärmel etwas zu kurz und zu eng sein könnten.
Die Rollnähte sind blitzschnell genäht. Das Versäubern der Schnittkanten entfällt, mit geübter Hand benötigt es vermutlich nicht einmal Stecknadeln um solche Nähte anzufertigen. Bequem sind solche Nähte sicherlich nicht, wenn man darauf sitzen oder liegen muss.
Die Machart der Fransen scheint einfach, der Teufel steckt jedoch im Detail, meine Technik ist nicht wirklich ausgereift und überzeugt mich selbst nicht.
Mir fällt auf dass Geflügel, insbesondere Küken, in der Motiv-Wahl der koptischen Textilien immer wieder auftauchen : als Taqueté-Stoff mit flächendeckenden sich wiederholenden Motiven und auch als Socken.
So einen Hahnenkamm für einen kleinen Schreihals, der schon früh mit den Hühnern kräht, finde ich ausgesprochen niedlich.
Mein Modell ist eine Babypuppe deren Größe mit 50cm in etwa der Größe eines (heutigen) Neugeborenen entspricht.
Babys sind gerne in Bewegung. Wie die Babys damals gewickelt wurden und ob und welche Unterwäsche sie trugen weiß ich nicht.
Die Puppe trägt deshalb den Babybody und die Einwegwindel mit der sie geliefert wurde. Sicherlich muss man sich ein dickeres Stoffpaket als Windel vorstellen. Möglicherweise ließ sich ein Windelwechsel bewerkstelligen ohne dass man das Kind entkleiden musste. Um den Seitenschlitz und die Proportionen besser sichtbar zu machen, wurde die Puppe in eine Strampelbewegung gebracht.
Zur fertigen Tunika geht es hier lang
Literatur :
Dress and Personal Apperance in Late Antiquty
The Clothing of the Middle and Lower Classes
Faith Pennick Morgan
Vergleichsfund :
Child's Tunic with Hood | The Metropolitan Museum of Art (metmuseum.org)
(zuletzt besucht am 21.März 2023)