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Materialsparend arbeiten

Da ich ausschließlich mit Wollgarnen arbeite, oft auch mit pflanzengefärbten, versuche ich möglichst materialsparend zu arbeiten. Aus Respekt vor den Tieren von denen sie gewonnen werden, aber auch um die Kosten für meine Kunden möglichst einzudämmen. An anderer Stelle habe ich bereits gezeigt dass eigentlich keine Fluse Material wirklich in den Müll geht, sondern alles verarbeitet wird.

Wenn eine Technik gleichzeitig auch Arbeitszeit spart, haben alle Seiten gewonnen.

Beim Arbeiten am Webstuhl entsteht immer Verschnitt. Das erste Stück Garn wird benötigt um die Kettgarne im Webstuhl zu befestigen. Das letzte Stück Kette kann nicht abgewebt werden da a) die Kette auch hinten befestigt werden muss und weil b) die Schäfte Raum brauchen um sich auf und ab zu bewegen um ein Fach zu öffnen.

Dieser Verschnitt macht zusammengerechnet meist so um einen Meter aus.

 

Das Einrichten des Webstuhls macht einen großen Teil der Arbeitszeit aus. Jeder einzelne Faden bekommt seine eigene Litze durch die er gefädelt wird und jede Litze hat dem Muster folgend ihre Position auf einem der Schäfte.  Je mehr Fäden ein Gewebe hat um so aufwendiger die Arbeit.

Das Einziehen der Fäden erfolgt meist in halbgebückter und unbequemer Sitzposition irgendwo im Webstuhl, je nach Projekt und Fadenanzahl für 1-3 Arbeitstage. 

Die Berufsweber haben diesen Arbeitsschritt oft übergangen in dem sie die neue Kette Faden für Faden an die alte Kette angeknotet haben. In Krefelder Haus der Seidenkultur hörte ich den Ausdruck Drömel. Das ist das Stück an dem die beiden Ketten auseinander treffen und das später zu nichts nütze ist. Die Krefelder Seidenweber haben in früheren Zeiten den Drömel vor die Türe gehangen, damit jeder sehen konnte dass die Auftragslage gut ist.

Mit der Technik des anknotens verkürze ich die Arbeitszeit bei fadenreichen Ketten um mindestens einen Arbeitstag.

 

Der folgende Text richtet sich an andere Weber, weil ich immer wieder gefragt werde wie ich das mache, deshalb werde ich den Text farblich etwas absetzen. Wer keine Lust auf Fachchinesisch hat schaut Bilder und scrollt einfach runter.

Vorab : wie alle Arbeitsschritte will das Anknoten der Fäden und das Durchziehen durch die Litzen geübt sein. Nicht verzweifeln wenn es beim ersten Mal nicht klappt, beim zweiten Mal geht es meist schon besser.

Ein weiterer Vorteil ist dass man den (hoffentlich) fehlerfreien Einzug der alten Kette übernimmt und somit die Fehlersuche und das teilweise neu Einziehen der Kette entfällt.

Die alte Kette wird bis zu einer Position abgewebt in der die Enden der aktuellen Kette gut erreichbar sind. Da dies je nach Webstuhlmodell variiert muss man sich auf die Kettbaumseite stellen und sich vorstellen wo diese Stelle sein könnte.

 

Bevor man sein fertiges Projekt vom Warenbaum schneidet muss man die Restkette sichern.

Bei mir hat es sich bewährt eine Leiste ins geöffnete Fach zu schieben und danach ein Stück weiter zu weben. Dabei lege ich vorher ans Ende der Tuchbahn eine Naht um die Schnittkante zu sichern.  Hat man ein kleines Stück weiter gewebt, kann die Leiste rausgezogen werden.  Dieses Drömel-Stück das die Kettfäden fest hält bekommt eine Naht an der Schnittkante, oder man leimt es mit Textilkleber oder Holzleim wenn man es nicht benötigt. In dem Fall reichen wenige Schuss. Geleimt wird unter Spannung, die erhalten bleiben muss bis der Kleber abgetrocknet ist.

Ist die Kette gesichert, wird an der Lücke die durch die Leiste entstanden ist, das Gewebe abgeschnitten und das aktuelle Projekt kann vom Warenbaum genommen werden.

Bei mir entsteht mit dem Drömel ein Kissenstoff, so ist dieses Stück nicht verloren.

Aufzug mit dem Direktzettel, im Hintergrund ist das Ende der alten Kette und seine Position gut zu erkennen.
Aufzug mit dem Direktzettel, im Hintergrund ist das Ende der alten Kette und seine Position gut zu erkennen.

Nun wird wie gewohnt die neue Kette auf den Webstuhl gebracht.  Arbeitet man mit einem Direktzettel ist das einfach. Bäumt man klassisch auf, muss man ein wenig tricksen, denn der Weg durch die Schäfte ist ja versperrt. An dieser Stelle gibt es keine einheitliche Lösung, da jeder Webstuhltyp ein wenig anders ist.

 

Die Kette liegt brav und sauber auf dem Kettbaum und hat ein ordentlich abgebundenes Fadenkreuz.

Bei mir sichert eine Schnur aus Jersey das Fadenkreuz. Solche Schnüre kann man im Bastelbedarf auf Rollen kaufen und immer wieder verwenden.

Es hat sich bewährt das alte Fadenkreuz zu erhalten bis die Kette fertig angeknotet wird, deshalb belasse ich die Geleseleisten an Ort und Stelle. In der neuen Kette sichert die Jerseyschnur das Fadenkreuz. So behält jeder Faden seine Position.

Nun beginne ich systematisch Faden für Faden aneinander zu knoten. Das kann von rechts nach links passieren, oder wenn die neue Kette z.B. schmaler ist als die alte von der Mitte aus, erst zur einen dann zu anderen Seite. Wichtig ist sorgfältiges Arbeiten.

2 Fadenkreuze : in der alten Kette stecken noch die Geleseleisten, in der neuen die Jerseyschnur. So bleibt jeder Faden in seiner vorgesehenen Position
2 Fadenkreuze : in der alten Kette stecken noch die Geleseleisten, in der neuen die Jerseyschnur. So bleibt jeder Faden in seiner vorgesehenen Position

Welchen Knoten man nutzt muss man ein wenig ausprobieren, am besten bevor man am Webstuhl beginnt. Viele schwören auf den Weberknoten, ich mache einen ganz einfachen Knoten. Er geht mir schnell von Hand und zieht sich unter Belastung nicht auf.

Man ist mit dem Knoten fertig. Die Geleseleisten der alten Kette können nun entfernt und in die neue Kette eingelegt werden.

Nun kommt der spannende Teil, die Knoten müssen durch Litzen und Riet gezogen werden.

Dazu näht man entweder das Restgewebe an die Anbindeleiste an oder man legt ein Holz in das Restgewebe so dass man einen gleichmäßigen Anpack hat.

Die Kette wird von Kettbaum her ein Stück nachgelassen. An der Warenbaumseite wird nun mit Gefühl und ein wenig Kraft nachgezogen. Das macht man bis die Knoten auf Höhe des Riets liegen könnten.  Wollen die Knoten unter Zug nicht duch die Litzen gleiten, kann es helfen die Fäden bündelweise zu ziehen, oder händisch an den Schäften zu wackeln. Bei dicken Knoten/Garnen arbeitet man sich am besten  einzeln durch die Schäfte. Bei feinen Knoten/Garnen kann es sein das alles wiederstandslos bis durch das Riet durch gleitet.

Sind alle Fäden auf der Kettbaumseite gut angekommen ? Es kann passieren das einzelne Fäden es nicht geschafft haben, bei mir sind das wenns schlecht läuft auf 1000 vielleicht 3-4, dann nicht verzweifeln, man kennt die Position wo der Faden hin gehört, es ist eine leere Litze da und das Malheur ist schneller beseitigt als ein Einzugsfehler.

Nun kann das Sicherungsgewebe abgeschnitten werden. Die Fäden werden wie gewohnt unter Spannung an den Warenbaum geknotet jedoch mit den Fadenresten der alten Kette. Das Schlimmste ist geschafft. Nun kann man die Kette nachlassen bis die Knoten so weit vor dem Warenbaum liegen, das das Riet die Knoten beim Anschlagen nicht erfassen kann. Direkt hinter den Knoten kann mit der Arbeit begonnen werden. 

Der Verschnitt der sonst beim Anbinden vorn anfällt, ist der hintere Verschnitt der alten Kette.

Diese Garnstücke befreie ich später von den Knoten und binde sie zu Zöpfen. Diese Zöpfe kann man wunderbar zum Aähen oder Troddeln machen nutzen. Die Stückchen mit den Knoten wandern als Füllung in Kissen.

So ist selbst der Drömel noch zu etwas nutze und keine Fluse geht in den Müll.

Die beiden Projekte die hintereinander realisiert wurden, sind im Original zufällig beides Fundstücke aus Haithabu. Das Karogewebe stammt aus einer sogenannten Schildkrötenfibel die ungefähr so wie auf dieser Montage als Trägerrock getragen wurde. Das Streifengewebe ist mit seinen dicken und dünnen Fäden von einem Leinenfragment inspiriert.

Die hübschen Fibeln gibt es bei Markus Neidhardt zu kaufen, für dieses Foto habe ich sie mit seiner freundlichen Erlaubnis auf Papier ausgedruckt.

Liebe:r Weber:in falls Du auf der Suche nach Problemen beim Weben hier hin gespült wurdest, dann komm doch zu uns ins Mittelalterforum.org.  Dort gibt es eine Abteilung zum Thema Weben, wo wir gemeinsam weitere Fragen klären können auch wenn Du ausschließlich moderne Werkstücke herstellen magst und Dich fürs Mittelalter überhaupt interessierst.