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Bronzezeitliche Kleidung Teil 3 : Schnurröckchen - eine wilde Theorie

In der Brust einer Textil-Archäotechnikerin schlagen zwei Herzen :

das eine Herz möchte eine Replik so anfertigen dass dieses Stück für den Kunden bezahlbar bleibt. Der Kunde hätte gerne ein Kleidungsstück das als Original ein Statussymbol war, etwas das der/die damalige Träger:in sich vielleicht einmal im Leben geleistet hat und das Unmengen an Arbeitsstunden verbraucht hat. Davon hätte der Darsteller am liebsten mehre Garnituren.

Also schaut man wo man die Arbeit vereinfachen kann, indem man elektrische Gerätschaften und Kniffe einsetzt wo immer es geht ohne die Qualität des Endprodukts zu verfälschen.

 

Das andere Herz fragt sich während der Arbeit, wie haben die das damals gemacht ? Welche Hilfsmittel hatten die Menschen damals ?

 

Ein solches Stück wächst gerade in meiner Werkstatt. Im Kundenauftrag entsteht gerade ein bronzezeitliches Schnurröckchen. 

Begonnen wird mit einer großen Kugel Schafswolle im Kardenband die zu den typischen dicken Fäden ausgesponnen wird. Sie wird gewaschen und gestreckt.

Die erste Web-Arbeit erfolgt in unbequemer Haltung am Boden und erfordert Ausdauer und Fleiß, dann steckt der Teufel jedoch im Detail : den Ringbömmelchen am Ende der Schnüre.

 

Entstehung eines Schnurrocks
Entstehung eines Schnurrocks

Das Herstellen der Ringe war auch Thema beim European Textile Forum (Link zu Micky´s Blog) wo ich mehrfach zugeschaut, es selbst gemacht und hinbekommen habe. Ertüftelt hat diese Technik Katrin Kania die ihr mühsam Erprobtes dort weiter gab und erklärte. (was unter Kollegen keinesfalls selbstverständlich ist)  Link zu Ihrer Anleitung

 

So weit so schön.

Warum auch immer, ich bekomme es bei meinem Modell nicht hin. Evtl sind die Hölzchen dünner als die von Katrin, oder meine handgesponnenen Garne sind dicker oder rauher, vielleicht ist die Wolle für die Bömmelchen zu kraus - es geht jedefalls nicht.

Gar nicht, auch nach vielen Versuchen nicht.

Was macht man da ? Das Zeug in die Ecke werfen, schmollen, grübeln und nachts von Schnurröcken träumen.

 

Neuer Tag, neuer Schwung. Also wieder ran. Hilfsmittel wie Tape oder andere Hilfs-Hölzer testen, verwerfen, schmollen, Zeug in die Ecke werfen, nachts wieder von Schnurröcken träumen und grübeln. Überlegen welche Mittel hatten die Menschen damals ? 

Warum überhaupt dieses Kleidungsstück ? In meinen Augen ist das ein wirklich schräges Teil, das mir wann immer es mir begegnet Rätsel aufgibt.

 

Neuer Ansatz : eine Art Einführhülse ! (Achtung ganz dünnes Eis und wilde Spekulation)

Blätter, Bast als dünner Faden, geschälte Dornen, ein feines Knöchelchen (Vogel?) das hatten die Menschen auch damals schon.

Bei dieser Menge gleichgroßer Bömmelchen die an unterschiedlichen Fundorten auftreten, gab es möglicherweise eine überlieferte Arbeitsanleitung : man nehme den Knochen vom Flügel des ...

Auch das Benutzen von Blättern einer bestimmten Pflanze sorgt für eine gewisse Norm und Gleichmässigkeit, wenn man es als Maß für die Breite des benötigten Röllchens nutzt.

Man nimmt also ein konisches Knöchelchen, wickelt ein Blatt um diesen Knochen und wickelt wiederum Wollfasern über dieses Blatt, dann erhält man ein Röllchen  mit der Eigenschaft einer Perle die man man auffädeln kann. Das Röllchen lässt sich nach der Kaniamethode gut zum Bömmelchen verarbeiten, das Pflanzenmaterial verbleibt im Bömmelchen und ist unsichtbar. Selbst wenn das pflanzliche Material getrocknet und zerkrümelt ist kann es eigentlich nicht heraus treten weil die Faser recht dicht und eng gewickelt ist.

Ließe sich das heute nachweisen ? Vermutlich nicht, da pflanzliches Material unter den Fundumständen der Baumsargbestattungen meist vergänglich ist.  Belegen kann ich diese Methode nicht ! Vielleicht ist das alles Unsinn und beim Original wurden weniger widerspenstige Fasern verarbeitet ? 

erste Anprobe auf viel zu schlanker Figurine und mit einem Stück Stoff statt Bluse
erste Anprobe auf viel zu schlanker Figurine und mit einem Stück Stoff statt Bluse

Arbeitszeit am Objekt, etwa 90 Stunden, Grübeln, Tüfteln und schlaflose Nächte nicht mitgezählt.

Verwendet wurden spinnfertige Wollfasern, für die Schnüre Kardenband und für die Ringe gereinigtes und gekämmtes Vlies. Als Hilfsmittel kamen der E-Spinner und der E-Schnurdreher zum Einsatz, sowie moderne Metallnadeln und stabiler Sternchenzwirn als Hilfsfaden.

Gewicht: 1050g 

 

Wie hoch der Arbeitseinsatz am historischen Objekt mit den damaligen (unbekannten) Hilfsmitteln gewesen ist kann ich nicht einschätzen. Er muss um ein Vielfaches höher gewesen sein.

Vielen Dank an M. Scheide die mir handgemachte Nadeln aus Dornen (Schlehe und Wildbirne) geschenkt hat.

Besonderer Dank an K. Kania.

 

Bilder des sogenannten Egtvet Mädchens :

 

https://chrysaoraelectrum.tumblr.com/image/110494545611

https://samlinger.natmus.dk/do/asset/14669

https://samlinger.natmus.dk/do/asset/4368

 

Literatur : 

Costumes of the Bronzeage in Denmark

H.C. Broholm and Margarete Hald